„Nein!“ sagte sie, die leicht ironische Empörung in ihrer Stimme unverkennbar. „Verschieben Sie nichts!“
So wollte uns die Frau davon abbringen, unsere Urlaubspläne auf die lange Bank zu schieben. Denn sie hätte zusammen mit ihrem Mann allzu oft solche Worte von sich gegeben. „Das machen wir später, wenn die Kinder älter sind. Wenn wir mehr Zeit haben, mehr Geld. Wenn wir in Rente gehen.“
Doch später wurde immer später. Die Kinder wurden erwachsen und zogen aus. Ihr Mann arbeitete sehr gerne und weit nach dem üblichen Renteneintrittsalter. In ihrem Lebensabend hatten sie noch viel vor. Aber sie taten es. Alle paar Wochen, alle paar Monate, zogen sie durch die Landschaft auf ein neues Abenteuer. Ein Wochenende in dieser Stadt, ein kurzer Ausflug in jene. Nach all den Jahren hatten sie es sich verdient, und trotzdem sie nicht mehr die jüngsten waren, ließen sie sich nicht abschrecken.
Und so war das Ende vielleicht nur passend. Wartend auf den Zug, der sie zu ihrem nächsten Ausflugsziel nehmen sollte, schaute sie ihren Mann an und sagte ihm, wie sehr sie sich auf die Reise nach Bielefeld freue. Leider durfte sie dieses Abenteuer nie genießen. Auf dem Bahnsteig brach sie nach einem Schlaganfall zusammen und ist uns trotz Bemühungen der Ärzte nach einer Woche verschieden. Sie hatte das Geheimnis gelernt, ihr Leben in vollen Zügen zu genießen, lebte dies bis zum Ende aus. Nichts verschieben.